Samstag, 16. Juli 2011

Die Krusenstern in Tallinn


Das Bild ist ein bisschen geschummelt, ich gebe es zu. Aber ich muss es hernehmen, denn auf diesem Bild ist ein Mythos zu sehen.

Die Ankunft der Krusenstern war der Höhepunkt der Meerestage an diesem Wochenende. Nach zwanzig Jahren kam sie gestern wieder in die Stadt zurück, die von 1981 bis 1991 ihr Heimathafen gewesen war. Als sie pünktlich um 12 Uhr im Hafen einlief, begrüßte sie die Stadt mit einem dreifachen Hupen. Es gab einen Empfang mit allem Drum und Dran, Salutschüssen, Militärorchester und hochrangigen Gästen. Doch der größte Willkommensgruß waren Hunderte von Menschen, die sich auf dem Kai versammelt hatten, um das Schiff zu bestaunen. Ich weiß nicht, wie viele Stunden sie in der langen Schlange anstanden, um das Schiff zu besichtigen.


Unter den Wartenden war auch die Crew, die in den 1980er Jahren auf dem Schiff gearbeitet hatte. Für sie ist die Krusenstern die Erinnerung an gute Zeiten. Der wissenschaftliche Assistent des Kapitäns, der Ingenieur, die Maschinisten, die Ehefrauen, sie alle feierten das Wiedersehen, klopften sich auf die Schulter und tauschten alte Fotos aus. Manche hatten Blumensträuße mitgebracht, um sie ihren Kameraden zu schenken. Denn drei Besatzungsmitglieder von damals arbeiten noch heute auf dem Schiff.


Die Krusenstern ist der letzte der berühmten Flying-P-Liner der Reederei F. Laeisz, der noch im Einsatz ist. 1926 wurde das Schiff auf der Joh. C. Tecklenborg-Werft bei Bremerhaven vom Stapel gelassen – als Padua, denn traditionsgemäß begannen die Namen der Schmuckstücke der Laeisz-Flotte mit einem P. Und während die Schwesternschiffe, wie zum Beispiel die Pamir, untergegangen sind, oder, so wie die Passat in Travemünde, heute ein Dasein als Museumsschiff fristen, umsegelt der Windjammer, der einst Padua hieß, noch heute die Weltmeere. Als russisches Segelschulschiff gehört die Krusenstern nämlich seit 1991 zur Russischen Staatlichen Baltischen Akademie der Fischereiflotte, ihr Heimathafen ist seitdem Kaliningrad.


Mit seinem Namen erinnert das Schiff an die erste Weltumseglung unter russischer Flagge. Als es 1946 als Reparationsleistung an die Sowjetunion ging, wurde es dort nach dem deutschbaltischen Adligen Adam Johann von Krusenstern benannt. Der kam 1770 in der Nähe von Rappel (in Estland, heute Rapla) zur Welt und war von 1803 bis 1806 Leiter der erfolgreichen russischen Expedition. Das Grab von Krusenstern ist in der Domkirche und ich vermute, dass die Besatzung des Schiffs es gestern besucht hat, denn heute lagen zwei dicke Sträuße roter Nelken links und rechts des Grabsteins.

Die Krusenstern - das sind die dicht versponnenen und mitunter verworrenen Fäden der Geschichte von Deutschen, Russen und Esten.


1 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für diesen wunderbaren Beitrag und die tollen Fotos.

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