Donnerstag, 9. Juni 2011

Nachtrag zu: Zwei Tage Tartu


Da ich gefragt wurde, wie der Brunnen mit den küssenden Studenten aussieht: So!

Montag, 6. Juni 2011

Ankündigung: Die Stadtschreiberin im Radio

Noch bevor ich mich auf den Weg nach Tallinn gemacht habe, hat mich Albert Caspari, Redakteur der „Baltischen Stunde“ auf Radio Weser.TV, zum Stadtschreiberprojekt interviewt. Morgen Abend ist zu hören, was ich ihm erzählt habe. Denn im Mittelpunkt der aktuellen Ausgabe der „Baltischen Stunde“ steht eine Veranstaltung des Deutschen Kulturforums östliches Europa, die im April in Berlin stattgefunden hat. Unter dem Motto „Tradition und Internet“ haben dort unter anderem die Kunsthistorikerin Krista Kodres, der Botschafter Estlands in Deutschland, Mart Laanemäe, der Historiker Karsten Brüggemann und der ehemalige Leiter des Goethe-Instituts Tallinn, Mikko Fritze, diskutiert. Auch dieses Gespräch wird in der Sendung zu hören sein. Mehr Infos zum Programm gibt es hier: http://infobalt.blogspot.com/

Zu hören ist die Sendung im Raum Bremen auf UKW 92,5 und im Kabelnetz auf 101,85 sowie als Live-Stream unter http://www.radioweser.tv/index.php?id=33&L=1. Nach der Ausstrahlung ist die Sendung unter: www.baltische-stunde.de zu finden.

Zwei Tage Tartu - Teil 2

Wie vor einem Monat in Tallinn, so sind es auch in Tartu zunächst wieder nur erste Eindrücke, die ich nach ein paar Tagen aus der Stadt mitnehme. Allerdings kann ich nicht anders, als die Stadt sofort mit Tallinn zu vergleichen.

In Tartu wie in Tallinn steht der Dom auf einem Hügel und so tragen auf Deutsch beide Orte den gleichen Namen: Domberg. (Auf Estnisch heißen sie unterschiedlich: Toompea, wörtlich übersetzt Domhaupt, und Toomemägi, Domberg, wobei ein „Berg“ natürlich ein Hügel ist.) Der Domberg – Toompea – in Tallinn war Jahrhunderte lang die Oberstadt, in der sich die Reichen und Mächtigen verschanzten. Noch heute grenzt er sich mit seinen hohen Mauern und stolzen Fassaden von der Stadt ab und wirkt, von unten betrachtet, mitunter unnahbar.

In Tartu hat es so eine strenge räumliche Trennung der sozialen Schichten nie gegeben, hier lebten innerhalb der Stadtmauern Kaufleute und Adelige zusammen. Und der Domberg der Stadt erinnert an ein romantisches Gemälde. Die Ruine der alten Backsteinkirche ist eingebettet in eine Landschaft aus sanften Hügeln und Birkenbäumen, schmale Trampelpfade führen durchs hohe Gras. In der Tat hat man Ende des 19. Jahrhunderts hier und dort ein bisschen nachgeholfen, um die Landschaft dem Zeitgeist anzupassen und Erde aufgeschüttet, eine Grotte angelegt, Brücken gebaut. Wenn man die verschlungenen Wege entlang schlendert, trifft man auf allerlei berühmte Persönlichkeiten aus Bronze. Der Dichter Kristian Jaak Peterson, einer der Begründer der estnischen Nationalliteratur, schreitet durchs Laub, Karl Ernst von Baer, der die Eizelle der Säugetiere entdeckt hat, sitzt in einem Sessel und grübelt.


Im Zentrum von Tallinn sind solche Persönlichkeitsdenkmäler kaum zu finden. Das liegt zum Teil daran, dass in der Sowjetzeit in der Hauptstadt mehr Denkmäler abmontiert und zerstört wurden als in der Provinz. Vor allem aber hat Tartu mehr berühmte Söhne hervorgebracht als Tallinn. Denn während die Universität in Tartu 1632 gegründet wurde, gab es in Tallinn bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts keine Hochschule.

Interessant ist auch der Vergleich der jeweils bekanntesten Denkmäler. In Tallinn erinnert die monumentale „Siegessäule des Unabhängigkeitskrieges“ an den Kampf um die estnische Unabhängigkeit in den Jahren 1918 – 1920. In Tartu lässt sich ein küssendes Studentenpaar unter einem Regenschirm fröhlich vom Wasser eines Springbrunnens beregnen.

Tartu ist die Stadt des Geistes und der Ideen, Tallinn die Stadt der Macht und der Taten. Politiker, Geschäftsleute, Kulturschaffende … bis heute ist es so, dass die wichtigen Persönlichkeiten des Landes fast ausnahmslos in Tartu studiert haben. Die Menschen in Tartu sagen, dass das Leben in ihrer Stadt geruhsamer ist als in Tallinn. Das passt zum Emajõgi, der durch die Stadt fließt. Tallinn liegt an der Ostsee und bildet das Tor zur Welt.

Es musste wahrscheinlich so sein, dass Tallinn seine Stadtschreiberin zuerst nach Tartu schickte.

Sonntag, 5. Juni 2011

Zwei Tage Tartu - Teil 1

In der Tat ist es bemerkenswert, dass die erste Lesung mit der Tallinner Stadtschreiberin in Tartu stattgefunden hat. Vielleicht ist das Zufall, vielleicht sehr charakteristisch.

Am Donnerstagabend hatte die Goethe-Gesellschaft im Deutschen Kulturinstitut Tartu zu einer Lesung geladen. Ich trug einige Texte aus dem Blog vor und Triinu Lukas, Studentin der Theaterwissenschaften und Hobby-Schauspielerin, las die estnischen Übersetzungen. Das Ganze war eine kleine und wirklich schöne Veranstaltung. Die etwa 20 Zuhörer waren sehr aufgeweckt und stellten viele Fragen. Besonders großen Anklang fand auch in dieser Runde mein Beitrag zu den Lieblingswörtern. Mit einem harten Kern gingen wir im Anschluss in das Restaurant Wilde und setzten dort die Unterhaltung bis in den späten Abend hinein fort.

Das Gebäude des Deutschen Kulturinstituts in der Kastani-Straße 1 ist ein echtes Schmuckstück, ein stolzes Jugendstilhaus mit Türmchen auf dem Dach. Es wurde 1904 von der deutschbaltischen Studentenverbindung „Neobaltia“ errichtet. Als sich Anfang der 1990er Jahre in Tartu mehrere Gesellschaften und Vereine formierten, die die deutsch-estnischen Beziehungen neu beleben wollten, suchten sie ein gemeinsames Dach und fanden es, nachdem das Gebäude mit Unterstützung aus Deutschland renoviert wurde, eben dort.

In dem Haus weht, wie es so schön heißt, ein guter Geist. Alte Dielen, Ornamente an den Wänden, schlichte Holzstühle für das Publikum und überall hatte die Sekretärin der Goethe-Gesellschaft liebevoll frische Blumen arrangiert, auf dem Kaminsims, auf dem Fensterbrett, auf dem Klavier. Ein Ort der Muße, an dem es nicht in erster Linie um Ergebnisse geht und sicher nicht um Profitabilität, sondern um Ideen und um Begegnungen.

Eine ähnliche Funktion erfüllt in Tartu das Domus Dorpatensis. Das Haus liegt direkt neben dem Rathaus und gehörte von 1849 bis 1939 der deutschbaltischen Familie von Rücker. Als die Familie die Rechte auf das Haus nach der Wiedererlangung der estnischen Unabhängigkeit wieder zugesprochen bekam, entschied sie sich, das Haus der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Nun sitzt in dem Haus die Stiftung „Wissenschaft und Kultur Domus Dorpatensis“, es gibt Seminarräume und gemütlich eingerichtete Gästewohnungen. So will das Haus ein Ort sein, an dem man Ideen und Erfahrungen austauscht.

Für mich ist die heutige Nutzung des Hauses der Neobaltia und des Domus Dorpatensis die schöne Fortsetzung einer langen Geschichte. Wie könnten diese im Jahr 2011 besser genutzt werden, als als Begegnungszentren für kulturinteressierte Menschen?

Samstag, 4. Juni 2011

Fliederduft


Ich kenne keine andere Stadt, in der so viele Fliederbüsche wachsen. Seit Tagen trägt der Wind ihren Duft durch die Stadt und macht mich regelrecht betrunken.

Donnerstag, 2. Juni 2011

Ankündigungen: Ekspress, Kommentar, Tartu

Heute ist im Eesti Ekspress ein kurzer Fragebogen erschienen, den ich ausgefüllt habe. Es geht darum, welche/r/s Buch, Film, Musik mich in letzter Zeit bewegt hat. Wenn der Text im Internet zu sehen ist, werde ich an dieser Stelle den Link posten.

Außerdem möchte ich darauf aufmerksam machen: Zum Post "Tramm" gibt es einen wirklich lesenswerten Kommentar.

Ich mache mich jetzt auf den Weg nach Tartu, wo ich heute Abend im Deutschen Kulturinstitut das Stadtschreiberprojekt vorstellen und einige Texte aus diesem Blog vortragen werde. Mit einem Post zur zweitgrößten Stadt Estlands ist also zu rechnen ... Bis bald!

Mittwoch, 1. Juni 2011

Der Saal mit der schwarzen Decke

Wie es sich 1989 angefühlt hat, in der Harju-Straße 1 zu wohnen, hat Irja Grönholm in ihrer ersten E-Mail beschrieben. Wie ich den gleichen Ort mehr als zwanzig Jahre später erlebe, unterscheidet sich davon durchaus. Und doch ahne ich nun, wie es gewesen sein könnte. Denn fünf Tage lang musste ich nur über den Hinterhof laufen, um das Literaturfestival „HeadRead“ zu besuchen.

Der Saal mit der schwarzen Decke (Musta laega saal) wurde für das Fest üppig mit orangener Löcherfolie dekoriert und empfing so herausgeputzt bestens gelaunte Gäste. Die meisten machten es sich in kleinen Grüppchen an runden Tischen gemütlich, manche lehnten weiter hinten an Stehtischen und wer gerade lieber selbst diskutieren als zuhören wollte, setzte sich im Vorraum auf die Heizung und beobachtete das Geschehen aus dem Augenwinkel. Als Verpflegung gab es Piroggen, Säfte und Bier.

So wie im Stundentakt jeweils andere Menschen auf der Bühne saßen, änderte sich auch das Publikum. Mal platzte der Saal mit der schwarzen Decke aus allen Nähten, mal hatten sich nur ein paar Dutzend Eingeweihte zusammengefunden. Familien mit Kindern, die junge Generation in Blumenkleidern und Cordhosen, Ehepaare, ältere Herrschaften, sie alle kamen und gingen und hatten offenbar wirklich Lust auf Literatur.

Zumindest für diese Tage hat der Vergleich mit dem Taubenschlag seine Gültigkeit zurückerhalten.


Maarja Kangro (rechts) kündigt Robert Service (links) und Mart Laar an.
Foto: Kärt Kukkur